Salonkultur - Der Literarische Salon - Berlin

Litrarische Salonkultur

Veranstaltungen 2019
Gelaufene Veranstaltung

Mittwoch, 20. Februar 2019 um 20.30 Uhr
in der Z-BAR

Lesung & Gespräch

Berlin-Buch: Lothar Binger liest aus seiner politischen Biografie „68 selbstorganisiert & antiautoritär: Die Jahre 1967 - 1978“(Selbstverlag, erschienen im Oktober 2018)

Bei der periodisch wiederkehrenden 68er-Rückschau lag der Fokus vor allem auf Student*innen, die das Antiautoritäre hinter sich ließen, eine leninistische Partei des Proletariats faktisch unter studentischer Führung aufzubauen versuchten oder den bewaffneten Kampf propagierten. Selten war die Rede von der überwiegenden Mehrzahl der politisierten Linken, die sich an gesellschaftlichen Teilkonflikten in kleinen Gruppen selbstorganisierten. Das waren nicht die spektakulären Ereignisse, die für Jubiläums-Erinnerungen taugten. Aber erst die Vielfalt und das persönliche Engagement bewirkten, dass in vielen gesellschaftlichen Bereichen Veränderungen angestoßen wurden.

Lothar Binger hat in Westberlin seit 1968 in etlichen Initiativen mitgewirkt, die es so zum ersten Mal gab. 1968 der erste Berliner Kinderladen, 1969 das Kinderladen INFO, 1968 die erste deutsche Undergroundzeitung Linkeck, 1970 die ersten linken Kinderbücher, 1970 Beginn der Stadtteilarbeit in Kreuzberg, Gründung des Lehrlingstheaters Rote Steine, Produktion der ersten Ton Steine Scherben Single, 1971 die ersten erfolgreichen Berliner Hausbesetzungen des Jugendzentrums Kreuzberg und des Rauch-Hauses als Ergebnis der Jugendarbeit. 1972 startete mit der Gründung der GUM, dem GUM-INFO und 1974 mit dem Positionspapier der erste Versuch, die Undogmatische Linke auf ein theoretisches Fundament zu stellen und im Frühjahr 1974 entstand mit dem INFO BUG (Berliner Undogmatischer Gruppen) ein wöchentliches Kommunikationsorgan für die Sponti-Linke in Westberlin, das über vier Jahre Bestand hatte. Das alles unter der Devise: Selbstorganisiert, undogmatisch, antiautoritär und antikapitalistisch. Diese Aspekte können bis heute Geltung beanspruchen.
In seiner politischen Biografie verdeutlicht Lothar Binger im Detail, worin die Emanzipation im Kleinen, die Selbstveränderung und darüber hinaus die Gesellschaftsveränderung im Großen gelang, wo sie scheiterte und was sich nach dem „bewegten“ Jahrzehnt von 1967-77 im eigenen Berufsumfeld verändern ließ, ohne dass es sogleich mit der Systemfrage verbunden wurde.

Lothar Binger zeigt wie die Revolte zahlreiche Elemente der bis dahin verbindlichen Verhaltensweisen auflöste, des Verhältnisses der Geschlechter zueinander, das der Kinder zu ihren Eltern, der Schüler zu ihren Lehrern. Ferner verdeutlicht er, dass diese Bewegung nicht von einer einzigen hierarchisch strukturierten Organisation getragen wurde. Aus den miterlebten 68er-Erfahrungen heraus, die aus Misserfolgen und aus Erfolgen bestanden, will Lothar Binger dazu ermutigen, dass sich manches ändern lässt, wenn man es denn anpackt.

Das Buch versteht der Autor als einen Beitrag zur Geschichtsschreibung von unten sowie als Erfahrungsschatz für die jüngeren Generationen antikapitalistisch Aktiver. Ganz ausführlich werden die vielen kleinen ­Schritte aufgezeigt, die die Mikrostrukturen erkennen lassen. Die Rekonstruktion war nur möglich auf der Grundlage zahlreicher Protokolle des Autors, die aus dieser Zeit stammen.

Eine Veranstaltung des gemeinnützigen Vereins „Freunde und Förderer des Literarischen Salons e.V.“ in Kooperation mit dem gemeinnützigen Verein „Diesterweg Hochschule e.V.“.

Für diese Veranstaltung kooperiert der 2005 gegründete gemeinnützige Verein „Freunde und Förderer des Literarischen Salons e.V.“ erstmalig mit dem neu gegründeten gemeinnützigen Verein „Diesterweg Hochschule e.V.“ Unser älterer Verein präsentiert das Konzept des neuen Berliner Vereins. Beide Vereine verbindet das Motto „Kunst und Kultur als Bildungsprinzip verändert alles“. Wir schaffen Formate für generationenübergreifende Begegnungen. Unser gemeinsames Anliegen: Vernetzen, kooperieren, Wissen teilen, politisch sein, Inspirationsquellen anbieten, zum Nachdenken anregen, teilnehmen am gesellschaftlichen Diskurs sowie Debatten anstoßen. Kurz: Das Miteinander fördern. Wir sind überzeugt, dass nur das gemeinsame Tun zum Abbau von Konflikten führt und positive Erkenntnis beschleunigt.


Pressestimmen

»EBinger, der selbst Agitationstheater machte, ein früher Hausbesetzer war, sich im Umfeld der Agitprop-Band „Ton Steine Scherben“ bewegte und Mitgründer der „Gruppe Undogmatischer Marxismus“ war, präsentiert ein eindringliches Zeitdokument.(…) Von besonderem Wert sind die vielen Auszüge aus Flugblättern und Streitschriften, die heute faszinierend-befremdlich wirken. (…) Wer wissen möchte, aus welchen Quellen sich die Gründung der Grünen speiste oder auch die „Taz“, der findet bei Binger viel zum Schmökern und Nachdenken.«
Gerd Nowakowski, Der Tagesspiegel vom 10.01.2019


Dr. phil. Lothar Binger
Bild: © privat
Lothar Binger, Dr. phil., Jg. 1941, Kulturhistoriker. Zahlreiche Veröffentlichungen und Ausstellungen zu kulturhistorischen Themen.
Moderation: Britta Gansebohm
Freunde und Förderer des Literarischen Salons e.V.
in der Z-BAR
Bergstr. 2, Mitte / Rosenthaler Platz, 10115 Berlin
www.z-bar.de
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