Gelaufene Veranstaltung
Mittwoch, 31. Juli 2013 um 20.30 Uhr
in der Z-BAR
Lesung mit anschl. Gespräch
Weiblich und aus Königsberg: Die vergessene literarische Moderne
Martin A. Völker liest Novellen der von ihm neu herausgegebenen Bücher "In den Finsternissen" von Katarina Botsky und "Einsamkeitswandern" von Gutti Alsen
Bild: © Quelle: Archiv M. Völker
Die Auswahl In den Finsternissen enthält zehn Novellen und zwei Gedichte der heute nahezu unbekannten Königsberger Schriftstellerin Katarina Botsky (1880-1945). Ihre Zeitgenossen schätzten sie als starke Vertreterin der literarischen Moderne. Ludwig Goldstein, Feuilletonleiter der bekannten Hartungschen Zeitung, bezeichnete Botsky als Ostpreußens erstes weibliches Kraft- und Originalgenie . In den Novellen, die sie zwischen 1911 und 1936 für die Zeitschrift Simplicissimus schrieb, widmet sich die Autorin den Verworfenen und Missgestalteten, jenen Menschen, die ausziehen, um Freude zu suchen und das Entsetzen finden. Walther Franz, ein profunder Kenner der Kulturgeschichte Königsbergs, meinte, in Katarina Botsky wüte derselbe Zwiespalt, der E. T. A. Hoffmann zerriß. Auch ihre Gestalten haben alle den Boden unter den Füßen verloren, nur gibt es für sie kein Reich Atlantis, das sie von den Schrecknissen des Diesseits errettet. Hier lauert das Verhängnis über jedem Menschen und zermalmt ihn mit grausigen Spinnenarmen.
Gutti, eigentlich Gustave, Alsen wurde 1869 in Königsberg (russ. Kaliningrad) geboren und verstarb dort 1929. Sie entstammte einer angesehenen jüdischen Kaufmannsfamilie und war als Künstlerin hoch geachtet. Ihre literarischen Nachmittage und ihr Einsatz für Schriftstellerkollegen waren stadtbekannt. Heute jedoch ist die umtriebige Expressionistin völlig vergessen. "Einsamkeitswandern" versammelt Novellen aus den Bänden „Die Abseitigen“ und „Geschichten von dunkeln Lieben“.
„Mit wenigen Worten versteht es Alsen, dem Unscheinbaren, Übersehenen, Ausgeblendeten Kontur, Farbe und Bewegung zu verleihen.“ (Herausgeber Martin A. Völker im Nachwort)
Gutti Alsen und Katarina Botsky sind zwei vergessene Autorinnen, die es nicht in den Kanon der deutschen Literatur geschafft haben bzw. aussortiert worden sind. Botsky und die jüdische Alsen formierten die literarische Moderne im fernen Königsberg. Das nach Alsens Tod heraufziehende Dritte Reich überging die Autorin. Danach geriet sie in Vergessenheit, auch weil sich die Germanistik nicht weiter um das "verlorene" Königsberg kümmerte. Katarina Botsky fiel aus jedem Rahmen, weil sie ein für Frauen unübliches und in Deutschland kaum tradiertes Genre bespielte: die naturalistische wie surrealistische Kurzgeschichte, die sie nihilistisch, manchmal zynisch zuspitzt. Mit den neu editierten Büchern von Gutti Alsen und Katarina Botsky wird kein museales Bedürfnis befriedigt. Es sind Texte, die heutigen Lesern etwas mitteilen, sie mitreißen und emotional herausfordern.
Eine Veranstaltung im Rahmen des Vereins "Freunde und Förderer des Literarischen Salons e.V."