Gelaufene Veranstaltung
Mittwoch, 06. Juni 2007 um 20.30 Uhr
im BKA-Theater
Doppelbuchpremiere: Literatur-Musik-Performance
Esther Dischereit liest Erzählungen aus ihrem Buch "Der Morgen an dem der Zeitungsträger" (edition suhrkamp 2007) und spricht Gedichte aus ihrem Buch "Im Toaster steckt eine Scheibe Brot" (Verlag Vorwerk 8 2007)
Percussion: Raymond Kaczynski
Im Toaster steckt eine Scheibe Brot - Gedichte, Verlag Vorwerk 8
Esther Dischereits neuer Gedichtband führt uns einmal mehr ins Entlegene, auf Abwege, auf denen kaum Tritt zu fassen ist. Ihre auf den ersten Blick ebenso beiläufigen wie handfesten Skizzen scheinbar ganz normaler Alltagseindrücke entpuppen sich bald schockhaft als ein Wust aus zerrissenen Ariadnefäden, die verläßlich auf schwankenden Boden leiten. Das fahle Dämmern, das nachts in die gute Stube fällt, ruft die grundlose Leere der Zimmerfluchten im magischen Realismus Hammershøis vor Augen. In dieser Öde balanciert die filigrane Lyrik Esther Dischereits zwischen verängstigten Lupinen und verdorbenen Schalen mit traumwandlerischer Sicherheit ins Nirgendwo, so daß alles Selbstverständliche verweht und das Bizarrste sich als unumstößliche Regel aufspielt. Mit leichter Hand enthüllt die Lyrikerin uns für Augenblicke Dinge, die wir nie zuvor gesehen haben. Syntaktische cutouts unterbrechen das Flüstern der Liebenden, der Alp der völkischen Bedrohung schiebt sich grinsend vor die Hoffnung auf die Zuneigung der Rehe: »Die Bäume haben die schwarze Uniform / angelegt und wollen nicht schweigen«: Das Urvertrauen in die Beseeltheit der Natur bricht ein, wenn am Strand von Plötzensee die Gespenster der Gehängten sich unter die Badegäste mischen: »Wir glauben an die Aufmerksamkeit der ID Karte«. Esther Dischereits Gedichte sind keine Lektüre für Minuten. (Roman Gleissner)
Der Morgen an dem der Zeitungsträger - Erzählungen, edition suhrkamp 2496
Wenn sie auch abwesend und unerfüllt sind, so beherrschen sie dennoch den Körper, das Leben, den Rhythmus: Leidenschaft und Liebe. Sie stehen hinter der Tür, die eine Frau schließt, werden ausgesperrt wie zugelaufene Köter. Was bleibt, ist die einzelne, die in der Welt steht wie unzugehörig. Eine, die sich wundert, wie Kinder oder Fremde sich wundern. Gewaltphantasien beherrschen die Frau in Der Morgen an dem der Zeitungsträger. Sie inszeniert sich Tag für Tag als weißen wartenden Körper. Wartend wie eine Spinne. Hier wie in den weiteren Erzählungen liegen Traum und Albtraum dicht beieinander. Esther Dischereit hat sich in Prozesse hineingeschrieben, Geschichten, die unvermittelt anfangen und die aufhören, ohne einen Schluß zu haben. Es sind Verweigerungen, die ihre Geschichten so lebendig wie irritierend machen.
In Kooperation mit dem Suhrkamp Verlag und dem Verlag Vorwerk 8.
Bild: © Esther Discherei
Esther Dischereit debütierte 1988 mit dem bekanntgewordenen Prosaband »Joëmis Tisch«, der ins Englische übersetzt wurde. Es folgten neben Prosa (»Übung jüdisch zu sein« 1998, »Mit Eichmann an der Börse« 2001) und Essays auch Hörstücke und Theaterproduktionen. 1992 Gründung der Avantgarde-Band WordMusic. Nach »Als mir mein Golem öffnete« (1997) und »Rauhreifiger Mund oder andere Nachrichten« (2001, Vorwerk 8) erscheint nun der dritte Lyrikband der Autorin. Dischereit gehört zu den profiliertesten Vertreterinnen der jüngeren jüdischen Literatur, vor allem aber zu den sprachlich avanciertesten, wie Petra Günther im Kritischen Lexikon der Gegenwartsliteratur schrieb.
Der Literarische Salon Britta Gansebohm
im BKA-Theater
Mehringdamm 34, Berlin-Kreuzberg (UBhf.: Mehringdamm),
10961 Berlin