Salonkultur - Der Literarische Salon - Berlin

Litrarische Salonkultur

Gelaufene Veranstaltung

Donnerstag, 08. März 2012 um 20.00 Uhr
im BKA-Theater

BUCHPREMIERE - Lesung & Gespräch

Helmut Kuhn liest aus seinem druckfrischen Roman "Gehwegschäden" (Frankfurter Verlagsanstalt 2012)

In Kooperation mit der Frankfurter Verlagsanstalt.


Bild: © Frankfurter Verlagsanstalt
Thomas Frantz ist Schachboxer, Flaneur aus Instinkt, freier Journalist ohne Aufträge. Die Motivation, dem Leben noch eine feste Struktur abzuringen, ist begrenzt. Frantz lässt sich durchs Großstadtleben treiben, von den Kabbalisten zu schlaflosen Swingern, von der Demo der Prekarianer in die Wettbüros Neuköllns und den alten Westen, der wortwörtlich abkackt. Unbarmherzig kommentiert er, was er sieht: das Heer derer, die sich mit Diplom und Aushilfsjobs direkt in die internationalen Märkte hineinträumen und dabei in Streetart, Esoterik und Pecha-Kucha-Nächten einen Rest von Lebenssinn suchen. Er recherchiert die Geschichte der ehemaligen SED-Verwaltungszentrale, zuvor Hauptquartier der Hitlerjugend und davor Kaufhaus jüdischer Geschäftsleute, die von Londoner Heuschrecken mit großzügiger Ignoranz gegenüber den Grausamkeiten der Geschichte in einen Society-Club und Wellnesstempel umgebaut wird. Wie Berlin überhaupt zu einem gewaltigen Spielplatz mutiert ist und sich aufteilt in Zonen von Invitrokindern und verwahrlosten Jugendlichen. Frantz, der notorische Chronist, seziert mit wachsender Wut, was ihn tagtäglich an Lügen umgibt. Als schließlich die bezaubernde junge Doktorandin Sandra durch sein Leben fegt wie der Hurricane Katrina, könnte alles noch einmal anders werden.

Mit brillanter fragmentarischer Ästhetik, in scharfsinnigen und grotesken Miniaturen beschreibt Gehwegschäden die schleichende, gewaltige Veränderung einer Gesellschaft, in der gradlinige Lebensgeschichten längst der Vergangenheit angehören. Mit literarischen Vorbildern wie Döblins Berlin Alexanderplatz und Musils Der Mann ohne Eigenschaften nimmt es dieses Buch mit einem Thema auf, das keine klassische Form mehr zulässt, und das evident wird in einer Stadt, in der die auf Gehwegschäden hinweisenden Schilder an jeder Ecke zur Normalität geworden sind: Es wird hier nichts mehr repariert, wir haben uns abgefunden.

 Helmut Kuhn
Bild: © Severin Wolleben
Helmut Kuhn wurde 1962 in München geboren. Nach einem Studium in Berlin und an der Pariser Sorbonne arbeitete er bei der deutsch-jüdischen Zeitschrift Aufbau in New York und war Reporter für „Die Zeit“, „Stern“, „Focus“ und „mare“. Er lebt als Autor und Dozent für Journalistik und kreatives Schreiben in Berlin. 2002 erschien sein Romandebüt „Nordstern“, 2006 folgte der Erzählband „Regen im 5/4 Takt“. Als Co-Autor verfasste er zusammen mit Murat Kurnaz „Fünf Jahre meines Lebens. Ein Bericht aus Guantanamo“ (2007) sowie mit Cem Gülay „Türkensam. Eine deutsche Gangsterkarriere“ (2009). Sein von der Kritik vielbeachteter Berlin-Roman „Gehwegschäden“ erschien 2012 in der FVA.
Helmut Kuhn erhielt den Hansel-Mieth-Reportagepreis und das Literaturstipendium Kunstraum Syltquelle.

Bibliographie

Nordstern.
Roman. Marebuch, Hamburg 2002.

Regen im 5/4 Takt.
Erzählungen. Satyr, Berlin 2006.

Arm, reich – und dazwischen nichts? Streifzüge durch eine veränderte Gesellschaft.
Lübbe, Bergisch Gladbach 2007.

Helmut Kuhn / Murat Kurnaz: Fünf Jahre meines Lebens. Ein Bericht aus Guantanamo.
Rowohlt, Berlin 2007.

Helmut Kuhn / Cem Gülay: Türken-Sam: Eine deutsche Gangsterkarriere.
Deutscher Taschenbuch Verlag, Berlin 2009.

Pressestimmen zu "Regen im 5/4 Takt"

Kuhn gelingt mit klarer Sprache, bildhafter, teils poetischer Beschreibung, den Leser an den Empfindungen des Ich-Erzählers teilnehmen zu lassen.
SÜDDEUTSCHE ZEITUNG

Der Journalist in ihm wird evident: die Sprache klar und anschaulich, die szenischen Schilderungen atmosphärisch, die Personenbeschreibungen detailliert und fein beobachtet. Dass Kuhn auch gediegene Prosa produzieren kann, beweisen Passagen, die keinen Schauplatz und keine Person schildern, sondern der Getriebenheit und der Tragik des Protagonisten eine Sprache geben.
LYRIKWELT

Kuhn gießt das Unglaubliche in Worte.
OFFENBURGER TAGEBLATT

Pressestimmen zu "Nordstern"

Ich empfehle den Debütroman Nordstern von Helmut Kuhn. Zurzeit gibt es kein schöneres, unlarmoyanteres, abenteuerlicheres Väter-Söhne-Buch.
ELMAR KREKELER, LITERARISCHE WELT

Nordstern ist mehr als eine Kriminalgeschichte, die auf wahren autobiographischen Begebenheiten beruht. Ein wunderbares Märchenbuch, auch für Frauen – vor allem aber für Väter von Söhnen.
DIE WELT

Helmut Kuhn hat ein packendes Buch geschrieben: eine Mischung aus Krimi und Vater-Sohn-Geschichte. Er erzählt von einer obsessiven Spurensuche genauso wie von seinen aufgewühlten Gefühlen.
DIE TAGESZEITUNG

Die intensiven und sprachlich brillanten Schilderungen der seelischen Verwüstungen, die das Verbrechen in den Familien der Verschwundenen anrichtete sind Höhepunkte dieser „Faction“, dieses Tatsachenromans. Und gleichzeitig ein Stück gelungene Trauerarbeit.
KIELER NACHRICHTEN

Bereits nach wenigen Zeilen wird der große literarische Anspruch Kuhns an seine schriftstellerische Arbeit deutlich. So entpuppt er sich als ungemein sorgfältiger Beobachter, der nicht nur seine eigenen Empfindungen mit Geistesschärfe kontempliert, sondern auch aus dem Facettenreichtum seiner Umgebung ein für den Leser überaus farbiges, plastisches Gesamtbild zu zimmern versteht. (…) Ein Werk, das den Leser von der ersten bis zur letzten Seite fesselt.
MÜNCHNER MERKUR

Pressestimmen zu "Fünf Jahres meines Lebens"

Der mitfühlendste, ehrlichste und würdevollste Bericht über die Schande Guantanamo, den es je gegeben hat.
JOHN LE CARRÉ

Moderation: Britta Gansebohm
Der Literarische Salon Britta Gansebohm
im BKA-Theater
Mehringdamm 34, Berlin-Kreuzberg (UBhf.: Mehringdamm), 10961 Berlin
Gelaufene Veranstaltung

Mittwoch, 14. März 2012 um 20.30 Uhr
in der Z-BAR

Vortrag & Gespräch

Marie-Luise Schwarz-Schilling über ihr Buch "Die Ehe – Seitensprung der Geschichte" sowie über "Die Rolle der Frau in der Geschichte"

Eine Veranstaltung im Rahmen des Vereins "Freunde und Förderer des Literarischen Salons e.V."

Marie-Luise Schwarz-Schilling verfasst Bücher und Fachartikel, hält weltweit ökonomische und soziologische Vorträge und forscht derzeit mit Studenten an der TU Berlin und der Universität Potsdam zu Themen rund um Partnerschaft, Gesellschaft und Ehe.
Marie-Luise Schwarz-Schillings Thema ist die historische und politische Dimension von Ehe und Partnerschaft, ein spannender Aspekt, der oft durch die Dominanz psychologischer Fragestellungen verdrängt wird. Als sie die Scheidungswelle in der eigenen Familie erreichte, wollte sie wissen: Seit wann gibt es Ehe, und seit wann sind Frauen das „andere“ Geschlecht? Wir war es früher? Gab es schon einmal freie Frauen - und wenn ja, warum wurden sie abhängig? Damit war das Thema zu ihrem Buch „Die Ehe – Seitensprung der Geschichte“ (axel dielmann verlag) angestoßen. Es führt uns von den steinzeitlichen Sippenordnungen, in denen es keine Herrschaft durch sexuelle Kontrolle gab, und in denen die Männer anderer Sippen die Frauen zum Paaren besuchten, zur Revolution der Patriarchen mit der gesetzlich verordneten Ehe als Resultat.
In ihren Studien an der Technischen Universität Berlin und an der Universität Potsdam forscht Marie-Luise Schwarz-Schilling auch zu dem Aspekt, ob Mann und Frau eigentlich auch heute noch zur Partnerschaft geschaffen sind. Die Neigung zu Eheschließungen geht zurück, wie die Zahlen zeigen, der Individualismus erhebt sich zum höchsten gesellschaftlichen Gut. Dennoch nennt Marie-Luise Schwarz-Schilling einige Bedingungen, unter denen eine glückliche und feste Lebensgemeinschaft Bestand haben kann, wie sich die meisten Menschen wünschen. Diese Themen diskutiert sie nicht nur mit den Studenten an der Universität, sondern auch in verschiedenen Zirkeln sowie in ihrem Internet-Blog unter www.mann-bleibt-mann.de. Aktuell beschäftigt sich die Autorin auch mit den Unterschieden zwischen dem Männlichen und dem Weiblichen und daraus resultierend mit der Frage, worin partnerschaftliche Schwierigkeiten begründet sind, jeweils aus soziologischer und psychologischer Sicht.

„Man wird nicht als Frau geboren – man wird dazu gemacht“, mit diesem Satz von Simone de Beauvoir, 1951 auf deutsch übersetzt, begann die öffentliche Debatte darüber, ob die Unterschiede der Geschlechter genetisch begründet oder von der Umwelt gemacht sind. Dass Erfahrungen auch Gene beeinflussen, ist eine neuere Erkenntnis.

Erst 1977 fielen die letzten rechtlichen Einschränkungen für Frauen in Deutschland und seitdem wachsen die weiblichen Erfolge in Bildung und Beruf rasant. Jahrtausendealte emotionale Leitbilder sind aber immer noch fest im männlichen und weiblichen Gemüt verankert. Eine Kanzlerin wird akzeptiert aber in Heim und Bett soll die Frau „sich anpassen“ und „keine Ansprüche“ stellen. Die heutige Unsicherheit über das, was Männlich oder Weiblich ist, zeigt der wachsende Unwille, sich zu binden, festzulegen oder sich gar für Nachwuchs zu entscheiden. Das Leben als Paar wurde zum Problemfeld. Neben psychologischen oder neurologischen Erklärungsansätzen wird fast nie danach gefragt, welche historischen Gründe es uns schwer machen, von „ererbten“ Verhaltensweisen loszukommen.

Mit diesen Fragen über die Rolle der Frau in der Geschichte beschäftigt sich die Autorin und Wissenschaftlerin Marie-Luise Schwarz-Schilling in ihrem erweiterten Vortrag zum Buch „Die Ehe – Seitensprung der Geschichte“. Gerade im Zuge aktueller Medienberichterstattung steht die Theorie um Ehe sowie um Männliches und Weibliches wieder stark in der öffentlichen Diskussion.

 Marie-Luise Schwarz-Schilling
Bild: © eckelpresse
Marie-Luise Schwarz-Schilling ist geboren und aufgewachsen in Berlin und hat in Göttingen und Paris Archäologie studiert, später Volkswirtschaft an der Universität München. 1957 machte sie das Examen zur Diplomvolkswirtin. Von 1958 bis 1992 leitete sie als eine der ersten Frauen Deutschlands in dieser Position die mittelständische Akkumulatorenfabrik „Sonnenschein“ mit etwa 1000 Beschäftigten in Büdingen (Hessen) und Berlin. Seit 1992 ist Marie-Luise Schwarz-Schilling freiberuflich in Berlin und im Raum Frankfurt tätig. In Hessen begann sie auch ihre langjährige ehrenamtliche politische Tätigkeit im kommunalen Bereich und wurde u.a. Ratsfrau der Stadt Büdingen und Vorsitzende des “Ronneburger Kreis”, einer Vereinigung von Führungskräften in der Wirtschaft, die sich mit Aspekten der Motivation und Führungsmethoden auseinandersetzen. Neben ihrem Buch „Die Ehe – Seitensprung der Geschichte“ hat Marie-Luise Schwarz-Schilling zahlreiche Bücher, Schriften und Artikel in den Bereichen Politik, Philosophie und Marktwirtschaft veröffentlicht, u .a. das Buch „Kaufmann und Schamane“ im Jahr 1984. Die Autorin und Unternehmerin ist verheiratet mit Dr. Christian Schwarz-Schilling und hat zwei Töchter sowie vier Enkel, mit denen sie ebenfalls in engem Kontakt steht. Sie lebt in Berlin, Frankreich und Büdingen.

Weitere Informationen zu Marie-Luise Schwarz-Schilling erhalten Sie unter www.marie-luise-schwarz-schilling.de, mitbloggen können Sie auf der Seite www.mann-bleibt-mann.de.
www.marie-luise-schwarz-schilling.de
Moderation: Britta Gansebohm
Der Literarische Salon Britta Gansebohm
in der Z-BAR
Bergstr. 2, Mitte / Rosenthaler Platz, 10115 Berlin
www.z-bar.de
Der literarische Salon
auf facebook